Vorwort / preface
»Myriam Marbe«
Komponistin zwischen Ritual und Intellekt


Symposionsbericht Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg 2000
Volker Blumenthaler und Jeremias Schwarzer (hrsg.)

PFAU-Verlag Saarbrücken

Vorbemerkungen

Vom 18.November bis zum 21. November 2000 fand an der Nürnberger Abteilung der Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg das erste internationale Symposion zum Werk rumänischen Komponistin Myriam Marbe statt. Zum ersten Male wurde damit die vielfältige Arbeit Myriam Marbes in Deutschland in einem breiteren Zusammenhang gewürdigt.

Ein interessanter Aspekt dabei war, daß ihre Werke mit Arbeiten einiger ehemaliger Schüler bzw. befreundeter Komponisten und Komponistinnen konfrontiert wurden. Es war somit etwas von dem Umfeld und der Aura der 1997 verstorbenen Komponistin zu erspüren. Zu den wichtigen Aufführungen zählten die Komposition Sym-Phonia (1996) für Mezzosopran und Kammerorchester nach Texten von Else Lasker-Schüler, Fra Angelico-Chagall-Veronet / Requiem für Solo, Chor und Kammerorchester aus dem Jahre 1990. Daneben wurden zahlreiche Kammermusikkomposition vorgestellt: u.a. Le Temps retrouvé (1982) für Mezzosopran, Blockflöte, 3 Bratschen, 2 Gamben, Cembalo und Celesta, Trommelbaß (1985) für Streichtrio und kleine Trommel, After Nau (1987) für Violoncello und Orgel, und Werke aus dem letzten Lebensjahr wie Arc en Ciel für Blockflöte und Querflöte, Song of Ruth für 5 Violoncelli und Renaissance für ein Kammerensemble. Aus dem geistigen und freundschaftlich verbundenen Umfeld erklangen Werke von Thomas Beimel, Volker Blumenthaler, Dinu Ghezzo, Anatol Vieru, Violeta Dinescu und György Kurtág. Bei den Kompositionen der beiden letztgenannten Autoren handelte es sich um Werke in memoriam Myriam Marbe, die bei diesem Symposion uraufgeführt wurden.
Alle Werke, die während des Symposions zur Aufführung kamen, werden auf einer Dokumentations-CD veröffentlicht. Sie wird bei der
marc aurel edition Mitte 2001 erscheinen.
Um diese Konzerte waren Workshops und Vorträge zum Thema "Mythos und Ritual" gruppiert. Sie schufen eine weitere Basis für einen vertieften Zugang zum Denken der Künstlerin. Eine abschließende Podiumsdiskussion mit dem Thema "Ritual oder Abstraktion" setzte sich kritisch und kontrovers mit der Problematik des Rituals in einer postmodernen Welt auseinander.

Den einleitenden Vortrag zum Schaffen der Komponistin hielt der Wuppertaler Komponist und Musikwissenschaftler Thomas Beimel. Beimel war einer der letzten Schüler Marbes. Zudem betreut er den künstlerischen Nachlass der Komponistin. Sein Vortrag "Vom Ritual zur Abstraktion" - Das kompositorische Werk, gehalten am 18.11.2000, weist ihn als einen glänzenden Kenner auch der inneren Beweggründe ihres Schaffens aus. Er war auch in einer wichtigen Rolle bei der Vorbereitung des Symposions und der Einstudierung einiger Kammermusikwerke, nebst Werkeinführungen beteiligt. In der vorliegenden Fassung wurde der Vortrag etwas überarbeitet und zu einem Portrait der Komponistin erweitert.

Mit der praktischen Bedeutung des Mythos beschäftigte sich der Musiker und einer der hauptverantwortlichen Organisatoren Jeremias Schwarzer tags darauf am 19.11.2000 in seinem Beitrag "Wir sind Orpheus". Schwarzer referierte hier Gedanken zu diesem Thema aus dem Buch "In the Dark Places of Wisdom" des amerikanischen Autors Peter Kingsley. Er setzt diese Ideen in einen nachdenkenswerten Kontext zu Myriam Marbes Musik und musikalischer Denkweise. In die Tiefen der Welt der Archetypen tauchte am selben Tag der in Berlin lebende rumänischen Komponist und Musik-Ethnologe Corneliu Dan Georgescu. In einem fundierten Vortrag sprach er über "Myriam Marbe und die Suche nach Archetypen in der rumänischen Musik". Georgescu bleibt hier nicht bei C.G.Jung stehen, sondern er deckt Hinweise auf die Arbeit mit Archetypen in Musiken zeitgenössischer rumänischer Komponisten als ein Spezifikum auf. Eine Spur, die auf andere, bislang wenig beachtete Traditionslinien verweist. Der Vollständigkeit halber sei ein Beitrag der rumänischen Komponistin Violeta Dinescu "Neue Musik in Rumänien nach 1945" erwähnt, der sich mit sehr interessanten zeitgenössischen Kompositionen ihrer Landsleute beschäftigte.

Den Abschluß am 21.11.2000 bildete ein Beitrag des Philosophen Andreas Steffens, Privatdozent an der Universität/Gesamthochschule Kassel, mit dem Thema "Die Schrecken der Geschichte und die Asyle der Kunst". Steffens moderierte auch die anschließende Podiumsdiskussion, die mit leichten Korrekturen der Publikation beigefügt ist.
Das Symposion wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung der Gesellschaft und Förderer der Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg, des Deutschen Musikrats und des Bayerischen Rundfunks Studio Franken. Ein ausdrücklicher Dank geht an die Stiftung Bayerischer Musikfonds, die eine Veröffentlichung dieser Publikation erst ermöglichte.



Nürnberg im Februar 2001
Volker Blumenthaler